Gastbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann und Rechtsanwalt Ulrich Fratton
Deutschland, das Land der Fußballweltmeister, hat uns in den letzten Wochen mit seinen fantastischen Siegen begeistert. Auf eine derartige Euphoriewelle werden die deutschen Gerichte bei ihren Entscheidungen zum Onlinemarketingrecht noch lange warten müssen. Diese verursachen stattdessen oftmals Kopfschmerzen und gelegentliche Ratlosigkeit. Dabei wird vor Gericht häufig mit ähnlich harten Bandagen um Marktanteile und Deutungshoheit gekämpft wie im Weltmeisterschaftsspiel Frankreich gegen Nigeria, wobei dort die Zweikämpfe Mittels Abmahnungen, strafbewehrter
Unterlassungserklärung oder einstweiligen Verfügungen geführt werden. Besonders nachfolgende Entscheidungen könnten für den Onlinemarketing-Fans und Betroffene von Interesse sein:
Bei Werbung mit Kundenzufriedenheitsangaben ist die tatsächlich zugängliche Fundstelle anzugeben.
Ein großer Hörgerätehersteller hatte damit geworben, dass „94,2 % seiner Kunden sehr zufrieden sind“. Eine Angabe darüber, auf welche Quelle der Werbende diesen Wert stützte, war jedoch nicht enthalten. Das Landgericht Erfurt (Urteil vom 30.12.2013, Az: 3 O 1512/13) gab der Unterlassungsklage einer Wettbewerbszentrale hiergegen mit der Begründung statt, dass die Angabe von Zufriedenheitsprozenten nur dann zulässig ist, wenn sie für den Verbraucher allgemein zugänglich sind und dieser sie nachvollziehbar abrufen kann. Dem Verbraucher muss es möglich sein, die wesentlichen Inhalte der Information zu erforschen. Dies war hier nicht möglich, da die Quelle nicht angegeben war.
Wichtig:
Die Fundstelle für die Kundenzufriedenheitsangabe ist für den Verbraucher leicht und verständlich anzugeben und sollte so seriös wie möglich sein.
BGH öffnet Hintertür für den Einsatz von Tippfehler-Domains
Von dem Beklagten wurde die Domain „wetteronlin.de“ angemeldet. Der Nutzer, der diese in seinen Browser eingab, wurde unmittelbar auf eine weitere Seite geleitet. Diese neue Seite bewarb private Krankenversicherungsverträge. Für jede Weiterleitung kassiert der Betreiber der Website ein Entgelt. Der BGH (Urteil vom 22.01.2014, Az: I ZR 164/12) nahm hier zu Gunsten des Klägers, der über die Domain „wetteronline.de“ eine Wetterauskunft betreibt, einen Wettbewerbsverstoß an. Die Domains seien von ihrer Schreibweise her so unterschiedslos, dass ein Unterscheidung gar nicht oder nur kaum möglich sei. Die angegriffene Domain daher alleine darauf gerichtet Kunden abzufangen. Interessant an dieser Entscheidung ist vor allem die vom BGH offenbar für zulässig erachtete Hintertür: Bei einer unterschiedslosen, beschreibenden Domain kann der Wettbewerbsverstoß ggfs. damit ausgeräumt werden, dass der Internutzer auf der sich öffnenden Internetseite sogleich und unübersehbar auf den Umstand hingewiesen wird, dass es sich nicht auf der beabsichtigten – hier wetteronline.de Domain – befindet.
Wichtig:
Tippfehler-Domains sind grundsätzlich wettbewerbsrechtlich unzulässig, es sei denn, ein entsprechender seriöser Hinweis deutet auf eine anderen als den gewünschten Inhalt hin.
BGH: Die Verwendung von Marken als Keywords im Rahmen einer AdWords-Werbung kann doch unzulässig sein („Fleurop“)
Ein Blumenhändler, der die Zusammenstellung und Lieferung von Floristikwaren anbot, schaltete bei der Suchmaschine Google eine ausdrücklich als „Anzeige“ gekennzeichnete Werbung für seine Leistungen, die bei Eingabe des Suchbegriffs „Fleurop“ erschienen. Der Blumenhändler war jedoch nicht an das Vertriebssystem des Blumenliefersystems der Fleurop AG, welche lediglich Aufträge an dritte Blumenlieferanten vermittelt, angeschlossen. Mit Urteil vom 27.06.2012, Az. I ZR 53/12 entschied der BGH, dass hierdurch in unzulässiger Weise der Markenname der Fleurop AG ausgenutzt werde. Der Verbraucher kenne das Vertriebssystem Fleurop und wisse, dass der Versand jeweils nicht unmittelbar durch die Fleurop AG, sondern durch Dritte ausgeführt werde. Ein Verbraucher könne die geschaltete Werbung daher trotz des ausdrücklichen „Anzeigen“-Hinweises für eine Werbung eines Vertriebspartners der Fleurop AG verstehen. Diese Gefahr könne nur verhindert werden, wenn ausdrücklich ein klar stellender Hinweis erfolge, dass eine wirtschaftliche Verbindung zum Markenrechtsinhaber gerade nicht besteht.
Wichtig:
Die Verwendung von bekannten Werbewörtern ist gefährlich. Im Zweifel sollte zumindest ein kurzer Aufklärungshinweis erfolgen. Auch dabei ist jedoch Vorsicht angebracht, da die Marke hierdurch nicht beeinträchtigt werden darf.
Schlechte Bewertungen fallen grundsätzlich unter die Meinungsfreiheit
Der klagende Arzt erhielt in einem Internetportal zur Ärztebewertung schlechte Noten in den Punkten “Behandlung”, “Aufklärung”, “Praxisausstattung” und “telefonische Erreichbarkeit”. Das Landgericht Kiel (Urteil vom 06.12.2013 (Az. 5 O 372/13) sah darin entgegen der Ansicht des Klägers keine unwahren Tatsachenbehauptungen. Vielmehr nahm es Äußerungen an, die von der Meinungsfreiheit erfasst werden. Insbesondere sah das Gericht es als zulässig an, dass eine anonyme Bewertung, ggfs. auch durch unbeteiligte Dritte erfolgen darf.
Wichtig:
Eine Bewertung über Sterne, Noten oder Smileys ist nach dieser Entscheidung noch als Meinungsäußerung anzusehen. Erst wenn falsche Tatsachen behauptet werden (z.B. Fehldiagnose), besteht diesbezüglich ein Löschungsanspruch. Die vergebene Note dürfte jedoch bestehen bleiben.
Wer selbst online stellt, haftet verschärft.
Ein Webseiten-Betreiber stellte ein Einladungsschreiben auf seine Webseite selbst online, das ein Dritter entworfen hatte. In der Einladung war ein Kartenausschnitt zu sehen, den der Dritte ohne Erlaubnis des Rechteinhabers an der Karte eingefügt hatte. Der BGH entschied mit Urteil vom 04.07.2013, Az: I ZR 39/12, dass der Webseiten-Betreiber dem Kartenrechteinhaber zum Schadensersatz und zur Zahlung der Abmahnkosten verpflichtet sei. Ein Haftungsprivileg für fremde Inhalte gelte entgegen der Ansicht des Beklagten nicht, weil der Beklagte die Dokumente selbst online gestellt und sie sich hierdurch zu Eigen gemacht habe. Dabei sei es unerheblich, ob dieser von einem Urheberrecht eines Dritten gar keine Kenntnis habe.
Wichtig:
Bei Dokumenten, an welchen theoretisch ein Urheberrecht Dritter bestehen könnte (insbesondere Bilder, Karten oder Texte) sollte genau überprüft werden, ob eine Einwilligung des Rechteinhabers vorliegt. Anderenfalls drohen Schadensersatzansprüche von teilweise mehreren tausend Euro sowie Kosten für den gegnerischen und den (zwingend anzuratenden) eigenen Anwalt.
Pflichtangaben bei Arzneimitteln bereits in der Google AdWords-Anzeige?
Bei Arzneimitteln sind bekanntlich etliche zwingende Pflichtangaben zu machen; am bekanntesten ist der Satz „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Streitig war, ob diese Hinweise bereits in einer Google-Adwords-Werbung angebracht sein müssen. Die Beklagte bewarb ein Arzneimittelprodukt mittels zweier AdWords-Anzeigen, ohne dass diese einen ausdrücklichen Hinweis darauf enthielten, ob es Pflichtangaben gebe bzw. wo diese zu finden seien. Sichtbar war lediglich, dass die Überschrift einen Link auf eine externe Domain enthielt sowie bei der zweiten Anzeige zusätzlich die URL, jedoch ohne automatische Verlinkung. Klickte ein Nutzer auf den Link oder kopierte er die URL in die Adresszeile des Browsers, wurde er auf die Webseite der Beklagten weitergeleitet. Erst dort waren nach mehrfachem Scrollen die erforderlichen Pflichtangaben neben weiterem Text aufgeführt. Der BGH (Urteil vom 06.06.2013, Az. I ZR 2/12) hielt beide Anzeigen für wettbewerbswidrig. Die Pflichtangaben seien für den Nutzer nicht ohne weitere Zwischenschritte „leicht lesbar“ gewesen. Dies sei nur der Fall, wenn kein weiterer Text als die Pflichtangaben über den Link angeboten werde. Halte ein Anbieter diese Voraussetzungen ein, liege auch dann kein Verstoß vor, wenn auf der Informationsseite ein mehrfaches Scrollen erforderlich werde, weil beispielsweise die Pflichtangaben mehr als den einsehbaren Bildschirm erfassen.
Wichtig:
Auch bei Stichwortwerbung und kurzen Werbetexten ist ein gut sichtbarer Hinweis auf die Pflichtangaben – etwa durch zusätzliche Angabe eines speziellen Aufklärungs-Links – zwingend erforderlich.
Eine „Anzeige“ ist keine Schleichwerbung
Mit Urteil vom 09.08.2013, Az.: 6 U 3/139 hat das Oberlandesgericht Köln entschieden, dass der Hinweis „Anzeige“ den Vorwurf der wettbewerbswidrigen Schleichwerbung auch auf einer Webseite beseitigt. Das Wort „Anzeige“ stehe im Zusammenhang mit der Werbung und verdeutliche den Werbecharakter des dargestellten Inhalts. Hierzu müsse das Wort „Anzeige“ aber so deutlich sichtbar sein, dass keine Gefahr des zufälligen Überlesens bestehe, etwa weil das Wort „Anzeige“ durch einen „winzigen und typologisch unauffälligen Schriftzug“ von den Nutzern der Webseite leicht zu überlesen sei. Dies war nach Ansicht der Richter aber in dem streitgegenständlichen Fall nicht der Fall. Das Wort „Anzeige“ war gut sichtbar und sogar noch durch seine schwarze Unterlegung leicht hervorgehoben.
Wichtig:
Anzeigen sollten also solche deutlich gekennzeichnet werden. Hier verbleiben aber auch nach den Vorgaben des Gerichts gute Möglichkeiten, den Vorwurf der Schleichwerbung ohne wesentliche Einschränkung der Werbewirkung zu entkräften.
Fazit:
Die vorgenannten Entscheidungen verdeutlichen wieder einmal, dass insbesondere im Online-Geschäft und der Online-Werbung eine zu offensive Spielweise nicht zu empfehlen ist. Die besten Erfolgsaussichten haben diejenigen Mannschaften, die aus einer rechtlich abgesicherten Abwehr heraus darauf achten, allzu viel Regelverstöße und gelbe (Abmahnungen) oder gelb-rote Karten (einstweilige Verfügungen) zu vermeiden. Anderenfalls kann es ihm gehen wie einer alteingesessenen Uhrenmanufaktur aus Glashütte, die wegen markenrechtlichen Verstoßes gegen eine solche Vertragsstrafe umgehend Insolvenz anmelden musste. Ein gut eingespieltes Team, laufendes Training sin auch im Onlinemarketingrecht die Erfolgsformel zur Erreichung der großen Siege. Dann kann man auch so schön feiern diesen WM-Sommer.
Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann, Partner der Kanzlei Schaal & Partner, ist u.a. Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und beschäftigt sich seid über 15 Jahren mit dem Onlinemarketingrecht. Rechtsanwalt Ulrich Fratton ist angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei Schaal & Partner und dort auch für das IT-Recht zuständig (www.wir-beraten-unternehmer.de).